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GPS ist nicht gleich GPS

Kürzlich wurde in der YACHT von einem Segler berichtet, der sich auf der Ostsee auf dem Weg von Stralsund nach Litauen befand und unterwegs mit massiven GPS-Störungen konfrontiert sah (nachzulesen in der YACHT Ausgabe 21/2025 unter der Überschrift „Zurück zu Karte und Kompass“ sowie online auf yacht.de: https://www.yacht.de/segelwissen/navigation/erlebnisbericht-wegen-gps-stoerungen-zurueck-zu-karte-und-kompass/). Zur Navigation wurde ein Tablet mit entsprechender Navigations-App verwendet. Letztere verortete die Segelyacht hinter Bornholm plötzlich im litauischen Hinterland fernab der Küste und gab zugleich eine Geschwindigkeit von über 50 Knoten aus.

Die Störungen wurden über mehrere Stunden beobachtet. Die Positionsanzeige am UKW-DSC-Funkgerät wies derweil einen anderen Schiffsstandort aus, der realistischer erschien. Der Autor warf die Frage auf, wie es sein könnte, dass bei einer offenbar großräumigen GPS-Störung – womöglich durch sogenanntes Jamming beziehungsweise Spoofing – nur ein Gerät an Bord betroffen ist.

Relevante technische Unterschiede

Ich hätte dafür durchaus eine mögliche Erklärung (wobei ich diesbezüglich aus der Ferne ohne weitere Informationen natürlich nur spekulieren kann): Womöglich war der Positionssensor im UKW-Funkgerät mit parallelem Multi-GNSS (GNSS ist der Oberbegriff für die heute verfügbaren globalen Satellitennavigationssysteme), EGNOS-Unterstützung (satellitengestütztes europäisches Ergänzungssystem) sowie einer robusteren, mehrkanaligen Antenne ausgestattet – heute bei Marken-Marineelektronik Stand der Technik –, das Tablet hingegen nur mit einer einfacheren Hardware.

Die zeitgleiche Verifikation über mehrere Quellen ermöglicht eine bessere Plausibilitätskontrolle und eine zuverlässigere Positionsermittlung. GPS ist eben nicht gleich GPS – je nach Empfängerhardware bestehen durchaus relevante technische Unterschiede.

Wer sich bei der Navigation überwiegend oder gar ausschließlich auf entsprechende Elektronik verlässt, sollte eine möglichst robuste Lösung wählen.

Eine Frage des Zwecks

Tatsächlich geht es hier nicht nur um mögliche Kosteneinsparungen seitens des Tablet-Herstellers, sondern vor allem um die Frage, wofür ein Gerät ursprünglich konzipiert wurde. Ein paralleler Multi-GNSS-Empfang und mehrkanalige Empfänger benötigen erhebliche Ressourcen. Die Folge: Der Akku wäre deutlich schneller leer. Das zeigt sich gut bei akkubetriebenen Navigationsgeräten, die eine entsprechende Einstellmöglichkeit bieten – wählt man dort die präziseste Betriebsart, reduziert sich die Restlaufzeit oft auf einen Bruchteil.

Zudem setzt eine wirklich robuste satellitengestützte Positionsbestimmung eine geeignete Antenne voraus – die bei einem Tablet kaum unterzubringen wäre. Diese Geräte sind in erster Linie für die Nutzung an Land und in urbanen Räumen ausgelegt. Dort greifen sie zur Positionsbestimmung zusätzlich auf die Funkwellen zurück, die auch für die Datenübertragung über Mobilfunk und WLAN genutzt werden – eine ressourcenschonende Lösung, die sogar in Gebäuden funktioniert.

Außerhalb solcher Netzabdeckung muss dagegen bei vielen Tablets eine einfachere GNSS-Lösung genügen. Nautische Navigationssysteme sind demgegenüber explizit für solche Anwendungsbereiche ausgelegt. Ist man damit gegen jede Form der Störung oder Manipulation durch Dritte sicher geschützt? Nein, aber man ist damit zumindest besser aufgestellt als mit einfachen Varianten.

Altbekannte Problematik

Die vorgenannten Erkenntnisse sind auch keineswegs neu. Schon im Frühjahr 2011 habe ich erstmals einen Testbericht zur Tablet-Navigation in einem technischen Fachmagazin für Segler veröffentlicht. Im Mittelpunkt stand damals das erste iPad von Apple, sozusagen die Keimzelle dieser Gerätekategorie, welches erst seit einigen Monaten auf dem deutschen Markt war.

Mein Fazit fiel ernüchternd aus: Die hardwareseitigen Grenzen, insbesondere bei der Positionsermittlung, ließen das Ganze kaum als ernsthafte Navigationslösung im Vergleich zu den Seekartenplottern bekannter Marineelektronik-Marken erscheinen. Gern gebe ich zu, dass ich das Wettbewerbspotenzial unterschätzt habe. Mit Blick auf eine robuste Positionsermittlung sehe ich allerdings keinen Grund, meine seinerzeitigen Bedenken zu revidieren.

Allerdings steht man heute einem erheblich vielfältigeren Angebot gegenüber. Tablets unterscheiden sich in verbauter Hardware und Preis teilweise erheblich. Obendrein gibt es Lösungen, um sie in bordseitige Navigationssysteme zu integrieren und/oder mit geeigneten externen Sensoren zu kombinieren. Generelle Aussagen, ob und wieweit sich Tablets als Navigationssystem auf seegehenden Yachten eignen, fallen somit schwer – eine einfache Antwort darauf gibt es nicht.

Wer tiefer in die technischen Hintergründe und Praxisfragen moderner Satellitennavigation eintauchen möchte, erhält weiterführende Informationen in meinem Seminar zum Thema Satellitennavigation mittels GPS & Co.: https://yacht-kompass.de/events. Darüber hinaus berate ich Sie mit Blick auf eine sicherere Navigationsausstattung gern auch individuell – sprechen Sie mich einfach an: https://yacht-kompass.de/kontaktformular.

Sven M. Rutter