Beratung Yachtkauf

Investitionsrisiken und Chancen

Sonnenaufgang in einer Ostseemarina

Seit einigen Jahren lässt sich ein wachsender Trend zur eigenen Yacht beobachten, der unter anderem durch ein verändertes Freizeitverhalten und eine sehr dynamische Angebotsentwicklung beflügelt wird. Gerade die Corona-Zeit hat den Markt zwischenzeitlich beflügelt. Zahlreiche Werften vermelden volle Auftragsbücher. Die Investitionsrisiken für Yachtkäufer haben sich derweil nicht reduziert, sondern dürften sich in mancherlei Hinsicht sogar erhöht haben. Zumal parallel auch grundlegende Veränderungen in der Eigner-Klientel zu beobachten sind, so dass die Risiken nicht allein von der Preisentwicklung auf dem Bootsmarkt bestimmt werden.

So geht hier mittlerweile eine insgesamt deutlich erhöhte Investitionsbereitschaft mit einer vielfach weniger belastbaren Risikoeinschätzung einher. Nach einem Bericht der Zeitschrift „Yacht“ hat sich das durchschnittliche Investitionsvolumen für eine werftneue Segelyacht innerhalb von nur zehn Jahren mehr als verdoppelt (Quelle: „Qualität beim Bootskauf wichtiger als der Preis“, Yacht, Ausgabe 6-2022, S. 6 ff, www.yacht.de). Dies zeugt von einer entsprechend gestiegenen Investitionsbereitschaft auf der Käuferseite, zumal es auf der Anbieterseite im betreffenden Zeitraum keine Preissteigerungen in vergleichbarem Ausmaß gab. Zum einen werden bei werftneuen Yachten immer größere Modelle geordert – so sind laut „Yacht“ mittlerweile zwei Drittel aller neuen Boote über zehn und ein knappes Drittel sogar über 12 Meter lang (ebda.). Und zum anderen erfreuen sich gerade hochwertige Marken wachsender Beliebtheit. Zwar liefern die günstigeren Großserienanbieter nach wie vor die höchsten Stückzahlen aus, doch die Nachfrage nach hochwertigen Modellen exklusiver Marken wächst.

Das schlägt sich im entrichteten Durchschnittspreis für neue Yachten nieder, den die „Yacht“ mit rund 350.000 Euro beziffert (ebda.). Bei Gebrauchtbooten wird dieser mit rund 86.000 Euro angegeben (ebda.) – gleichsam eine deutliche Steigerung gegenüber den Vorjahren, wobei der Gebrauchtbootmarkt in der „Vor-Corona-Zeit“ allerdings auch eher von einem Überangebot als von einem Nachfrageboom geprägt war.

Präsentation eines brandneuen Bootsmodells auf der weltgrößten Hallen-Wassersportmesse „boot“ in Düsseldorf (© Sven M. Rutter)

Grundlegender Generationswechsel

Denn in der Eignerschar zeichnet sich seit einigen Jahren auf breiter Ebene ein Generationswechsel ab. Hintergrund: Erst seit den späten 60er-Jahren entwickelte sich bei Segelyachten durch die Einführung neuer Materialien und Verfahren (insbesondere im Bereich des glasfaserverstärkten Kunststoffs, GFK) sukzessive eine ansatzweise Großserienfertigung, die die Produktion von massentauglichen Bootstypen auf einem erschwinglichen Preisniveau ermöglichte. Deren Käuferklientel, die in den 70er- und 80er-Jahren in das Segeln auf eigenem Kiel einstieg – zumal es seinerzeit auch noch kein mit heutigen Verhältnissen vergleichbares Charterangebot gab –, erreicht nun ein Alter, das sie vielfach aus gesundheitlichen Gründen zu einer Aufgabe des Segelsports nötigt. Dies führte in den zurückliegenden Jahren zu einem beständig wachsenden Gebrauchtbootangebot, das wiederum der jüngeren Generation angesichts attraktiver Preise den Einstieg in den Yachtsport erleichterte.

Durch diese Dynamiken ergaben sich deutliche Verschiebungen auf dem Bootsmarkt. So wurde das Einsteigersegment zunehmend vom Gebrauchtbootmarkt mit seinen durch die wachsende Angebotsfülle gepufferten Preise bedient, während sich die Hersteller von werftneuen Yachten zunehmend auf größere und innovative Bootskonzepte fokussierte, die in keiner unmittelbaren Konkurrenz zum Gebrauchtangebot standen. Allerdings erwies sich auch dieser Zustand als volatil und wurde durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in kurzer Zeit überholt.

Kleine Marina im Alboranmeer
Gebrauchtboote, die auf neue Eigner warten, finden sich in jeder Marina – wobei die Breite des Angebots und ebenso das Preisgefüge allerdings beträchtlichen Schwankungen unterliegen (© Sven M. Rutter).

Beflügelnder Faktor Pandemie

In den Pandemie-Jahren konnte der Bootssport vom Trend zur individuellen Freizeitgestaltung in heimischen Gefilden profitieren. So berichtete die Zeitschrift „Yacht“ im Sommer 2020 von einem Auftragsplus von 50 bis 70 % bei Deutschlands größten Sportbootwerften (Quelle: „Segeln statt Corona-Frust“, Yacht, Ausgabe 22-2020, S. 64 ff, www.yacht.de). Auf dem Gebrauchtbootmarkt ergab sich ein ähnliches Bild: So wurde beim Gebrauchtbootportal boat24.com – einem der führenden Anbieter in diesem Segment – zur selben Zeit ein Anstieg um 53 % bei den privaten Verkäufen verzeichnet (ebda.).
Der Positivtrend zeigte sich nicht nur auf dem heimischen Markt, wie eine Studie des Verbands der europäischen Bootsindustrie (European Boating Industry, EBI) vom Herbst 2020 bestätigt, nach der die Aussichten für Unternehmen in der Bootsbranche trotz der anhaltenden Pandemie überwiegend als positiv wahrgenommen wurde (vergl. Amelie Cesar u. Natascha Zwenke: „Impact of COVID-19 on the European recreational boating industry – Study for European Boating Industry“, EBI; www.europeanboatingindustry.eu). Auch im zweiten Jahr der Pandemie vermeldete die „Yacht“ in ihrem Branchenreport unter der Überschrift „Segeln boomt“ einen anhaltenden Aufschwung in der Branche (vergl. „Segeln boomt“, Yacht, Ausgabe 12/2021, S. 53 ff). Demnach gerieten manche Hersteller mittlerweile sogar an ihre Kapazitätsgrenzen und sahen sich nicht mehr in der Lage, die wachsende Nachfrage zeitnah zu bedienen.

Neue Segelyachten am Steg der Ancora-Marina in Neustadt i.H.
Ausstellung aktueller Segelyachtmodelle auf einer In-Water-Boatshow (Hamburg ancora Yachtfestival, © Sven M. Rutter)

Veränderte Eigner-Klientel

Die wachsende Zahl an Neueinsteigern ließ aber auch den Bedarf an fachkundiger Unterstützung und Orientierung entsprechend ansteigen. Zumal die neue Eignergeneration oft auch nicht bereits „von Haus aus“ – zum Beispiel durch Eltern und Verwandte – mit dem Segelsport verbunden ist. Gerade eine Generation, die sich in einem immer dynamischer entwickelnden Wirtschaftsumfeld stets aufs Neue behaupten muss, ist auch für neue Wege der Freizeitgestaltung aufgeschlossener und wagt ebenso den Schritt zum Erwerb einer eigenen Yacht entsprechend freimütiger. Gleiches gilt für die sogenannte „Generation der Erben“.
Ohne „seglerischen Backround“ ist aber wiederum der Bedarf an Orientierung besonders groß. Denn die Angebotsseite ist auf diese Veränderungen nur eingeschränkt eingestellt. Das durch immer kürzere Entwicklungszyklen bei den Herstellern und die beschriebene Dynamik auf dem Gebrauchtbootmarkt sich immer vielfältiger gestaltende Angebot erschwert die Orientierung für Bootskäufer zusätzlich. Zumal Yachthandel und -hersteller oft spezialisiert sind und somit keinen 360-Grad-Angebotsüberblick zu liefern vermögen – vom größtenteils völlig unstrukturierten Gebrauchtbootmarkt ganz zu schweigen. Um sicher durch dieses Dickicht unterschiedlichster Angebote zu navigieren, bedarf es eher gesteigerter Markt- und Produktkenntnisse, die in der neuen Eignergeneration jedoch vielfach lediglich in geringem Maße gegeben sind.

Schließlich geht es nicht nur um das Anschaffungsbudget. Gemäß eines Forschungsberichts im Auftrag des Bundesverbands Wassersportwirtschaft (BVWW) geben Eigner im Durschnitt je nach Bootsgröße zwischen 1.000 und 3.000 Euro im Jahr für die Werterhaltung (Reparaturen, Pflege und Ausrüstung) ihrer Yacht aus (Quelle: Forschungsvereinigung für die Sport- und Freizeitschifffahrt (FVSF): „FVSF-Forschungsbericht Nr. 7: Strukturen im Bootsmarkt – update 2016, Zusammenfassung“, Hrsg.: Dipl.-Ing. Dr. Wolf-Dieter Mell, September 2016, www.bvww.org). Dazu kommen noch einmal 900 bis 4.000 Euro im Jahr für Liegeplatz und Winterlager (ebda.). Das Marktvolumen für den reinen Bootsservice schätzt die Studie auf rund 662 Mio. Euro im Jahr (ebda.). Obendrein fallen weitere Kosten an, wie zum Beispiel für den regulären Betrieb (Verbrauchsgüter usw.), Versicherungen, die persönliche Ausrüstung und Ähnliches.

Kette vor Stegeingang
Wer hinter die Absperrung möchte, muss einiges investieren (© Sven M. Rutter).

Erhöhte Risiken = gesteigerter Orientierungsbedarf

All diese Kosten stehen in unmittelbarer Proportionalität zur Bootsgröße. Und wie bereits erwähnt, zeichnet sich insbesondere bei werftneuen Yachten seit einigen Jahren ein stetiger Trend zu größeren Booten ab. So vermeldete der Deutsche Boots- und Schiffbauer-Verband (DBSV) auch schon vor der Corona-Pandemie in seinem Marktbericht zur Jahresmitte 2019 beim Import werftneuer Segelyachten über 12 Meter Länge einen Zuwachs von 20,8 % (Quelle: DBSV und Statistisches Bundesamt: „Der Bootsmarkt zur Jahresmitte 2019“, September 2019, www.dbsv.de). Aber auch Gebrauchtbootkäufer orientieren sich heute gern an Bootsgrößen, die sie zum Beispiel aus vorangegangenen Charterurlauben oder der Ausbildung in einer Segel-/Sportbootschule gewohnt sind.

Aus persönlichen Gesprächen mit Erstkäufern ohne weitergehenden „seglerischen Backround“ kann ich ebenso selbst bestätigen, dass hier oft keinerlei Vorstellungen vom Nutzungs- und Komfortpotenzial einer 10-Meter-Yacht oder noch kleinerer Boote bestehen. Und die Kompromissbereitschaft mit Blick auf etwaige Nutzungseinschränkungen und Komforteinbußen fällt naturgemäß bei einer längerfristigen Anschaffung wie einer eigenen Yacht nicht gerade höher aus als bei einem einwöchigen Chartertörn. Die Differenzen in den Aufwendungen für den Unter- und Werterhalt zwischen einer 10- und einer 12-Meter-Yacht können jedoch die Unterschiede im Anschaffungspreis durchaus übertreffen. Zumal über die Zeit –statistisch verbleibt ein Boot im Durchschnitt immerhin zehn Jahre im Besitz des gegenwärtigen Eigners (Quelle: FVSF-Studie „Strukturen im Bootsmarkt“, s.o.), nicht selten auch deutlich länger.

Hinzu kommt die verfügbare Zeit als weiterer entscheidender Faktor. Ließ sich der Besitz eines eigenen Bootes lange Zeit als ganz eigenständiges Hobby einordnen, in das bereitwillig mindestens ebenso viel – mitunter sogar noch mehr – Freizeit investiert wurde wie ins eigentliche „Segel-Hobby“, ist die diesbezügliche Bereitschaft inzwischen merklich zurückgegangen. In Gesprächen mit meinen Kunden erweist sich dieser Punkt nicht selten sogar als entscheidende Hürde. Dabei geht es weniger um vorhandene oder möglicherweise ausbaufähige handwerkliche Fertigkeiten, sondern schlicht um das verfügbare Zeitkontigent. Denn auch die kostbare Freizeit ist heute klar budgetiert. Und das knappe Gut nutzt man im Zweifelsfall lieber auf dem Wasser als in der Werkhalle, insbesondere wenn es für beides nicht ausreicht. Doch wenn für Arbeiten am Boot entsprechende Dienstleiter einspringen müssen, ist natürlich auch die Gesamtkalkulation eine andere. Spätestens hier fallen viele vermeintliche Schnäppchen dann endgültig durch.

leere Bootsstege
Solche Bilder gibt es fast überall nur noch im Winter zu sehen, denn freie Liegeplätze sind angesichts der großen Zahl an Neueinsteigern in den Bootssport rar geworden – ein relevanter Kostenfaktor, den es mit einzukalkulieren gilt (© Sven M. Rutter).

Sachlich mit unvoreingenommenem Blick

Dies alles sorgsam abzuwägen und miteinander in Einklang zu bringen, lässt schließlich auch den Bedarf an entsprechender Beratung ansteigen. Wobei es trotz aller sachlichen Erwägungen gilt, auch veränderten Bedürfnissen und Erwartungen der Zielgruppe konsequent und vorbehaltlos Rechnung zu Tragen. Hier ist längst nicht mehr nur technisches Know-how gefragt, sondern ebenso praktische Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Bootstypen und eingehende Kenntnisse ihrer jeweiligen Zielgruppenorientierung. Die Ansprüche und Erwartungen gibt schließlich der Kunde vor – nur dann lässt sich ein für alle Beteiligten zufriedenstellendes Ergebnis erzielen.

Nicht ohne Grund werden beispielsweise neue Bootsmodelle immer voluminöser gestaltet, um mehr Komfort im „Wohnraum“ unter Deck bieten zu können. Zugleich lässt sich ein Trend zur zunehmenden Spezialisierung von Bootsmodellen auf bestimmte Nutzungsformen festmachen – vom „schwimmenden Ferienhaus“ und beeindruckend ausgestatteten „Blauwassertraum“ sowie bis in kleinste Detail liebevoll handgearbeiteten „Manufakturprodukt“ über aufs reine Wochenendvergnügen reduzierte „Daysailer“ bis zu kompromisslos leistungsoptimierten „Sportgeräten“. Auch die Zielgruppe ist schließlich vielschichtiger geworden – die ideale Yacht für jede(n) somit zu einem Märchenschloss („es war einmal“). Solche Entwicklungen sorgen für ein immer facettenreicheres Angebot, das schließlich selbst erfahrenen Seglern die Orientierung erschwert und sie Ausschau nach einem verlässlichen Kompass halten lässt.

Denn nur mit unvoreingenommenem Blick wird man ein Boot finden, das den persönlichen Ansprüchen und Erwartungen wirklich gerecht wird, und dessen Kauf ebenso sachlichen Grunderwägungen hinreichend Rechnung trägt. Hier liegt letztlich das größte Investitionsrisiko, denn ohne die Erfüllung dieser Vorgaben wird ein Boot auch über die Zeit nicht überzeugen können. Das setzt eine eingehende Bedarfsanalyse voraus – von den individuellen Wunschvorstellungen über die persönlichen Möglichkeiten bis zu sachlichen und technischen Notwendigkeiten.

Die Vielschichtigkeit des Angebots, das sich heute darstellt, erhöht aber ebenso die Chance, tatsächlich ein maßgeschneidertes Traumschiff zu finden. Und auch mit Blick auf die Preisentwicklung gibt es nach wie vor keinen grundlegenden Anlass zur Zurückstellung des Traum vom eigenen Boot – schließlich waren die rundherum ehrlichen Angebote nie wirklich billig und bei aufrichtigen Kalkulationen kann man auch heute noch ein solides Preis-Leistungs-Verhältnis realisieren … in jedem Budgetrahmen. Sofern man das Ganze denn kundig einzuschätzen vermag.

Sven M. Rutter

Sven M. Rutter

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